Neural DSP Quad Cortex - Erfahrungsbericht

Herausragender Sound, grandiose Bedienbarkeit, üppiger Preis

Neural DSP dürfte vielen sicher durch seine hochwertigen Gitarrensound-Plugins für Digital Audio Workstations ein Begriff sein. Ende 2020 brachte der Software-Hersteller aus Helsinki ein Profi-Multieffektgerät heraus, das es in Sachen Features in sich hat. Mit einem Preis von fast 2000 Euro ist das Quad Cortex selbst unter den Profi-Multieffektgeräten preislich ganz oben angesiedelt und liegt sogar oberhalb der bewährten Profi-Geräte von Kemper. Kann der Neuling auf dem Markt wirklich so gut sein, dass der Preis gerechtfertigt ist? Dieser und anderer Fragen widmen wir uns in unserem heutigen Erfahrungsbericht zum Quad Cortex.

Funktionsumfang und technische Daten

Das Quad Cortex ist ein Gerät im Flooboard-Stil und sein Gehäuse bemisst sich auf 29 x 19,1 x 4,8 cm. Damit ist es nicht nur relativ kompakt in seinen Maßen, sondern für ein Profigerät mit einem Gewicht von rund 1,6 Kilogramm auch eher ein Leichtgewicht. Unter der Haube werkelt beim Quad Cortex (daher der Name) ein Sharc-DSP mit vier Kernen und beachtlichen 2 GHz, sowie zwei Cortex-A5-Chips von ARM. Dank seiner vier Kerne kann das Quad Cortex bis zu vier Verstärker und Effektketten parallel betreiben. Auch in Sachen Speicherplatz muss sich das Gerät sicher nicht verstecken: Die Presets sind organisiert in bis zu zehn Setlists, die jeweils 32 Bänke umfassen, die ihrerseits wiederum aus acht Presets bestehen.

Das Quad Cortex hat als zentrales Bedienelement ein sieben Zoll großes Display, das Multitouch-Gesten unterstützt und in der angezeigten GUI auch Drag-and-drop-Bedienung möglich macht. Insgesamt zeigt sich die Oberseite des Quad Cortex aufgeräumt und das Gehäuse aus Metall gefällt uns optisch sehr gut. Neben dem Bildschirm gibt es noch einen Drehregler für die Lautstärke und elf Fußtaster. Warum das trotzdem nicht zu wenig Bedienelemente für das Gerät sind, darauf findet sich bei genauerem Hinsehen schnell eine Antwort: Alle Fußtaster des Geräts sind eine ungewöhnliche Kombination aus klassischem Fußtaster mit einem Drehregler.

Beim Quad Cortex wird eine schier überwältigende Flut an 1000 Impulse-Response-Profilen mitgeliefert. Aber das Gerät kann nicht nur mit IR-Dateien umgehen, sondern bietet als eines der entscheidendsten Features die Möglichkeit, den Sound physischer Verstärker abzugreifen und zu digitalisieren.

Seit einem kürzlichen Update hat das Quad Cortex übrigens neben dem integrierten Stimmgerät endlich auch einen Looper - ein Feature, das sich viele Benutzer sehr gewünscht hatten und das eigentlich fast alle anderen Multieffektgeräte auch bieten.

Anschlüsse und Konnektivität

Trotz seiner eher geringen Größe hat das Quad Cortex eine reichliche Auswahl an Anschlüssen auf seiner Stirnseite. Als Eingänge stehen dir hier zwei Kombi-Buchsen zur Verfügung, die XLR und 6,3-mm-Klinke zusammenbringen. Zwei Paar Send/Return-Buchsen erlauben dir das Einbinden zahlreicher externer Geräte. Mittels zweier Pedalanschlüsse ist beim Quad Cortex auch für die Möglichkeit gesorgt, die physischen Bedienelemente zu erweitern. Dabei helfen sicher nicht zuletzt auch die ebenfalls integrierten MIDI-Anschlüsse, namentlich ein MIDI-Eingang und ein MIDI-Ausgang, der auch MIDI Thru sein kann.

Auf der Ausgangsseite gibt es beim Gerät von Neural DSP sowohl einen Stereo-XLR-Ausgang, als auch einen Stereo-Ausgang im 6,3-mm-Klinkenformat. Zusätzlich gibt es neben einem Kopfhörerausgang im Format große Klinke einen als "Capture Out" bezeichneten Ausgang, der ausschließlich dem Profiling von Verstärkersounds mittels des von Neural DSP "Neural Capture" getauften Aufnahme- und Simulationsverfahrens.

Über den eingebauten USB-B-Anschluss kann das Quad Cortex als USB-Audio-Interface verwendet werden. Hierzu ist lediglich die Installation des entsprechenden ASIO-Treibers unter Windows erforderlich. Auch drahtlose Kommunikation beherrscht das Gerät - und das nicht wie bei den Mitbewerbern über Bluetooth, sondern über WLAN. Die WLAN-Fähigkeit wird unter anderem dazu verwendet, das Gerät mit der passenden Handy-App zu verbinden, über die sich neue Firmwareupdates installieren oder Backups erstellen lassen.

Neural DSP stellt für die Kunden eine Cloud-Infrastruktur bereit, über die sich erstellte Verstärkerprofile hochladen und sehr einfach mit anderen teilen lassen. Diese Verstärkerprofile kannst du nicht nur mit Freunden und Bekannten austauschen, sondern bei Bedarf auch öffentlich verfügbar machen. Selbstverständlich lassen sich so auch von anderen öffentlich geteilte Profile einfach herunterladen und verwenden. In der Bibliothek von Neural DSP gibt es bereits eine üppige Auswahl zum Herunterladen, von denen die meisten auch vollkommen kostenlos zu haben sind. Auch von bekannten Musikern erstellte Profile gehören hier mit zum Angebot.

Betrieben wird das Quad Cortex mittels eines 12-V-DC-Anschlusses, für den dankenswerterweise ein passendes Netzteil bereits mitgeliefert wird. Ein Batteriebetrieb ist nicht möglich.

Zusammenfassend gibt es also folgende Anschlussmöglichkeiten:

Klang, Effekte und Verstärker

Ein absolutes Highlight des Quad Cortex ist für uns die Qualität des erzeugten Sounds. Die Erfahrung von Neural DSP im Plug-In-Markt für DAWs macht sich hier offenbar deutlich bemerkbar. Was für uns das Besondere des Geräts ausmacht, ist nicht allein die Tatsache, dass das, was da aus den angeschlossenen Lautsprechern tönt, unsere Ohren erfreut, denn herausragenden Klang bieten auch andere Multieffektgeräte in dieser Preisklasse.

Aufmerken lässt uns beim Quad Cortex vor allem die gefühlte Dynamik des Sounds und die fetten Mitten, die dieser kleine Kasten erzeugt. Das beides zusammengenommen lässt für uns den Sound des Geräts so real wirken, dass wir es uns definitiv nicht zutrauen würden, den Klang des Quad Cortex in einem Blindtest von echten physischen Verstärkern mit hochwertigen Cabinets zu unterscheiden. Da stellt sich uns dann schon die Frage, wie lange es noch dauert, bis Röhrenverstärker ein für alle Mal ausgedient haben. Wir vermuten: Lange wird das wohl nicht mehr dauern.

Beim Quad Cortex stehen dir über 60 Gitarrenverstärker-Simulationen zur Verfügung. Darunter finden sich neben den üblichen Verdächtigen von Marshall, Mesa/Boogie und Vox auch einige in der Multieffektgeräte-Arena weniger häufig anzutreffende Spezies wie Friedman HBE100, Soldano SLO 100 oder Morgan SW 50. Bassisten bekommen mit lediglich 13 mitgelieferten Verstärkern leider etwas weniger geboten. Die Anzahl der mitgelieferten Cabinet-IRs ist dafür aber umso beeindruckender.

Noch Luft nach oben gibt es beim Quad Cortex freilich bei der Anzahl der verfügbaren Effekte. Es gibt zwar in jedem Bereich ein paar Alternativen zur Auswahl, aber bei einem dermaßen teuren Gerät hätten wir uns doch noch ein wenig mehr Vielfalt gewünscht. Beispielsweise stehen lediglich acht Delay-Effekte zur Auswahl, von denen die Hälfte sogar erst durch das letzte große Update hinzugefügt wurden. Es bleibt also zu hoffen, dass Neural DSP mit jedem Update weitere Effekte hinzufügt und das Angebot aufstockt.

Was genau alles Teil der Grundausstattung beim Quad Cortex ist, kannst du den letzten Seiten des Handbuchs entnehmen.

Die Bedienung

Der herausragende Klang des Quad Cortex wird noch übertrumpft durch die Bedienung. Für ein Gerät mit dermaßen vielen Features und Einstellungsmöglichkeiten ist das Quad Cortex wirklich simpel und intuitiv im täglichen Betrieb. Das liegt zweifelsohne primär an dem relativ großen Touch-Display mit seiner Drag-and-Drop-Fähigkeit und dem durchdachten Interface.

Besonders die Darstellung der Effektketten hat es uns hier angetan. Mittels Drag-and-Drop lassen sich Stationen ganz einfach auf einer Bahn hin- und herschieben. Zur jeweiligen Situation passende Buttons werden oft erst eingeblendet, wenn du anfängst, ein Element zu ziehen, beispielsweise ein Mülleimer-Symbol zum Entfernen einer Effektstation. Dadurch bleibt das Interface stets sehr übersichtlich.

Doch auch die Investition in Forschung und Entwicklung der neuartigen und beim Quad Cortex erstmals verwendeten Fußtaster-Drehregler hat sich für Neural DSP definitiv ausgezahlt. Hätte das Unternehmen stattdessen jeweils 11 separate Drehregler und Taster unterbringen müssen, wäre die Oberfläche des Geräts entweder deutlich größer ausgefallen oder würde sehr überfrachtet aussehen.

Die Dokumentation des Geräts ist übrigens vorbildlich: Das auch online einsehbare Handbuch im PDF-Format ist mit über 100 Seiten ausführlich und geizt nicht mit Screenshots und Grafiken, die die Beschreibungen anschaulicher machen.

Fazit

Mit dem Quad Cortex ist dem bisher nur als Softwareentwickler bekannten Neural DSP ein beeindruckender Einstieg in den Markt der physischen Multieffektgeräte für Gitarre und Bass gelungen. Und wenn wir hier von "Einstieg" reden, meinen wir natürlich nicht die Einordnung des Geräts, denn das Quad Cortex ist durch und durch ein Gerät für Profis.

Klanglich ist das Cortex für uns zweifelsfrei ganz, ganz weit oben angesiedelt. Doch nicht nur mit seinem Klang punktet das Quad Cortex, denn besonders mit seiner einfachen Touchbedienung und den durchdachten Bedienelementen setzt Neural DSP hier unserer Meinung nach die Messlatte, an der sich in Zukunft Mitbewerber messen lassen müssen, weiter nach oben.

Etwas schade finden wir, dass die Anzahl mitgelieferter Effekt für ein so teures Gerät etwas mau ausfällt. Wir können nur hoffen, dass der Hersteller hier nachbessert und das Angebot durch weitere Softwareaktualisierungen ausweitet. Capturing für den Sound physischer Verstärker bieten auch einige Geräte anderer Multieffekt-Hersteller. Die Umsetzung gefällt uns beim Quad Cortex hier aber besonders gut.

Und wo wir gerade beim Preis sind: Keine Frage, das Quad Cortex ist ein grandioses Produkt. Aber muss es wirklich gleich Hunderte Euro teurer sein als die Flaggschiffe von Kemper und Line 6? Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist beim Quad Cortex unserer Meinung nach aktuell leider etwas schlechter als bei den Geräten anderer Hersteller. Wenn du dich vom hohen Preis jedoch nicht abschrecken lässt, bekommst du mit dem Quad Cortex von Neural DSP jedoch ein empfehlenswertes Gerät, das in vielem neue Maßstäbe setzt und sich weder vor Boss noch vor Line 6 oder Kemper zu verstecken braucht.


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